Abenteuer

Norwegen: Die Faszination der Fjorde

Region Fjordnorwegen. Nirgends sind die Fjorde imposanter als im Westen des Wikingerlandes. Das Magazin GEO Traveler kürte Fjord-Norwegen sogar zum attraktivsten Reiseziel der Welt.

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Wie wird das Wetter morgen? Diese Frage ist Standardrepertoire jedes Reisenden in Südwestnorwegen. Bei 230 Regentagen im Jahr ist die Prognose eine leider nicht allzu schwere Übung. Aber man verdrängt als Urlauber gerne die Realität und hofft, das wild zerklüftete Land der Fjorde, vom Magazin GEO Traveler zur schönsten Naturkulisse der Welt gekürt, in all seiner lichtdurchfluteten Sommerpracht zu sehen.

„Also, wie wird das Wetter morgen?“, frage ich nach zwei durchwachsenen Tagen mit satten Regengüssen.
„Na ja“, sagt Edmund Harris Utne, Direktor des Hotel Ullensvang, abwägend und blickt sinnierend in die grau-schwere Wolkendecke über dem Hardangerfjord. „Na ja, morgen müsste es schöner werden.“

Regenjacke und Sonnenbrille, Gummistiefel und T-Shirt. Am besten man rüstet sich in Fjordnorwegen für jede Wetterlage. Man weiß hier nie so genau, was der nächste Tag bringt. Oft erlebt man in 24 Stunden alle vier Jahreszeiten.

Am nächsten Tag queren wir den Hardangerfjord und es wird tatsächlich schöner. Brummend und am ganzen Rumpf zitternd pflügt das Fährschiff durchs schwarzblaue Wasser. Graue Wolken jagen noch über den Himmel und ein scharfer Wind bläst vom Bug über den Stahlkoloss. Es riecht nach Fisch, Gletscher und Meer.

Südtirol des Nordens. Endlich zerreißt der Wind die tief hängende Wolkendecke und der Blick wird frei auf schneebedeckte Bergflanken, steile Granitwände, die mitunter fast senkrecht aus dem Wasser wachsen, und auf Tausende Obstbäume, die sich in soldatischen Reihen wie Weingärten die Hänge hinaufziehen. Äpfel, Kirschen, Zwetschken wachsen hier noch am 60. Breitengrad. Dank des Golfstroms ist der Hardangerfjord Norwegens größter Obstgarten, obwohl die Schneezungen im Juni noch bis zum Wasser reichen. Südtirol im hohen Norden. Der Kontrast könnte nicht größer sein.

Knapp 200 Kilometer schneidet der drittlängste Fjord der Welt eine Schneise von der Nordsee ins Landesinnere, verzweigt sich in unzählige Nebenarme. An den Ufern liegen wie hingepinselt die Dörfer mit weißen, roten und ockerfarbenen Holzhäusern. Schafe grasen auf sattgrünen Wiesen, Wasserfälle donnern von den Steilhängen. Das Licht ist jetzt im Sommer stählern hell bis drei Uhr Früh. Das Wasser tiefblau bis moosgrün.

Der Hardanger ist nur einer von vielen Fjorden im Südwesten Norwegens. Unzählige Wasserarme zerhacken die Landschaft in Stücke, schmale Straßen schlängeln sich in Hunderten Kurven die Uferhänge entlang, hineingesprengt in den Granit. Im Lysefjord bei Stavanger mussten die Dynamitladungen teils von Booten aus angebracht werden. Wo es technisch möglich ist, schwingen sich Brücken über die Wasseradern. Oder es wurden Tunnel gebohrt. Doch meistens quert man die Fjorde mit Fährschiffen – eine reizvolle Art, sich über Land zu bewegen. Oder man nützt als Tourist die Ausflugsboote für Kurz-Kreuzfahrten.

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Aussichtsterrasse für Mutige: Der 604 Meter hohe Granitturm Preikestolen (Predigstuhl)

Zum Beispiel im Lysefjord. Ziel ist dort eine der größten Sehenswürdigkeiten Norwegens, der Preikestolen (Predigstuhl) – ein 25 mal 30 Meter großes Felsplateau, das spektakulär auf einem 604 Meter hohen Felsturm mit senkrechten und wie mit einer Axt glatt behauenen Granitwänden über dem Fjord thront. Auch für Wanderer ist diese Felskanzel mit bestem Ausblick beliebtes Ziel. Mutige setzen sich sogar an den Rand und lassen die Füße über dem Abgrund baumeln.

Nicht minder spektakulär, allerdings für Wanderer mühevoller zu erreichen, ist der Kjeragbolten – ein eiförmiger, fünf Kubikmeter großer Stein, der in einer Felsspalte 1000 Meter über dem Lysefjord eingeklemmt ist.

Norwegens Fjordlandschaft ist ein gewaltiges Szenario der Natur, in dem Wasser, Berge, Schnee und Gletscher die Hauptdarsteller sind. Blau, Weiß und Grün sind die vorherrschenden Farben. Dazu kommen die idyllischen Farbtupfer der bemalten Holzhäuser und -kirchen. Boote und Schiffe sind allgegenwärtig. „Wir leben mit dem Wasser“, sagt Borea Schau-Larsen, Besitzerin des Nobelhotels Solstrand bei Bergen. „Kinder steuern schon mit zehn Jahren Motorboote.“

Keine Frage, Fjordnorwegen ist vor allem ein Ziel für Naturliebhaber und sportlich Aktive. Wander- und Biketouren mit Blick auf Meer, Fjorde und Gletscher gibt es ohne Ende. Einziges Manko: So perfekte Wegmarkierungen, wie wir sie von den Alpen kennen, hat Norwegen noch nicht. „Daran arbeiten wir vehement. Wanderwege werden nach internationalen Standards beschildert“, sagt Britt Daalland vom Tourist Department Fjord Norway.

Aber auch Kulturfans hat das Land der Wikinger einiges zu bieten. Hotspots sind die beiden entzückenden Städte Stavanger, das 2008 Kulturhauptstadt Europas war, und Bergen, die mit 260.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Norwegens. Stavanger hat nur halb so viele Bewohner und einen putzigen Charme – vor allem die Altstadt Gamle Stavanger mit ihren weiß gestrichenen Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert und den engen Kopstein-gepflasterten Gassen. Krasser Gegensatz sind die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die im kleinen Hafen direkt vor der Altstadt ankern und neben den zierlichen Holzhäuschen wie Wolkenkratzer wirken. Im vorigen Jahrhundert war Stavanger ein Zentrum der Fischverarbeitung. 1922 gab es noch 72 Konservenfabriken. Eine kann man als Museum besichtigen. In den einstigen Fischerhütten am Hafen sind heute Restaurants und Geschäfte untergebracht.

Die alten Zeiten sind trotzdem noch spürbar, an der Kulisse hat sich kaum etwas verändert. Selbst der Ölboom hat daran nicht gekratzt. Als man 1969 vor der Küste Stavangers ein riesiges Ölfeld entdeckte, wurde die Stadt der Fischer schlagartig zu einem der wichtigsten Ölzentren der Welt. Jedes zweite Jahr ist sie Bühne der internationalen Erdölmesse. Beeindruckend ist das Erdölmuseum im Hafen. Es zeigt, wie das schwarze Gold aus den Tiefen des Meeres gefördert wird, die Gefahren für die Umwelt und das harte Leben der Arbeiter auf den Plattformen.

Auch Bergen ist trotzt der Größe noch eine charmante Stadt. Handel, Schifffahrt und Handwerk haben sie in den vergangenen Jahrhunderten groß gemacht. Im 14. Jahrhundert kamen die Hanseaten, gründeten ein Kontor im Hafen und handelten vor allem mit Stockfisch.Heute ist die hanseatische Kaufmannsstadt Bryggen mit ihrer markanten Front aus hölzernen Giebelhäusern Weltkulturerbe und Touristenmagnet. Und natürlich auch – genauso wie Stavanger – ein Tor in die prächtige Kulisse der Fjorde.


INFO

BESTE REISEZEIT Mai bis September. Im Mai beginnt die Blütezeit, außerdem regnet es meist weniger. Es kann allerdings auch noch recht kühl sein.

KOSTEN Norwegen ist teuer, vor allem Alkohol. Ein Bier kostet 8–12 €, ein Mittagessen mit Getränk im Restaurant ab ca. 50 €.Währung ist die Norwegische Krone.

ESSEN Die Hauptrolle spielt Fisch, meist auf Kartoffelpüree serviert. Manche Gerichte sind für uns gewöhnungsbedürftig und stammen noch aus der Wikingerzeit. Z. B. Lutefisk, gelaugter, eingeweichter Stockfisch mit Salzerdäpfeln, Erbsenmus und gebratenen Speckscheiben. Auch Hammelfleisch ist im Land der Wikinger beliebt, oft als deftiger Eintopf mit Gemüse wie zum Beispiel „Färikäl“. Wirtshäuser gibt es kaum. Man hat nur die Wahl zwischen Schnellimbissen bei Kebab-Standln oder Chinesen und gehobenen Restaurants.

HOTEL-TIPPS Beliebt bei Individualreisenden sind die historischen Hotels De Historiske. www.dehistriske.com
42 gibt es in ganz Norwegen. Empfehlenswert im Südwesten sind zum Beispiel:
– Hotel Solstrand. Gehobenes Haus an einem schönen Strand 30 Kilometer südlich von Bergen. Hat viel Atmosphäre und einen sehr schönen Spa. Die Besitzerin legt Wert auf einen gediegenen internationalen Gäste-Mix. www.solstrand.com
– Hotel Ullensvang im idyllischen Ort Lofthus am Hardangerfjord. Altehrwürdiges Hotel
mit Traumblick auf den Fjord. Norwegens Parade-Komponist Edvard Grieg war Freund der Hoteliers-Familie, im Garten steht noch sein Komponierhäuschen. Während der Hardanger-Musikwochen ist das Hotel Bühne für klassische Musik. Ab ca. 1000 NOK pro Person mit Frühstück. www.hotel-ullensvang.no
– Utne Hotel in Utne am Hardangerfjord. Putziges kleines Holzhaus-Hotel mit sehr viel Charme und wenigen kleinen Zimmern, ausgezeichnete mediterran angehauchte Küche. www.utnehotel.no
–.Henderson City Hotel im Städtchen Haugtesund. Disigner-Hotel in einem ehemaligen Bankhaus.www.hendersons.no

WEITERE AUSKÜNFTE Norwegisches Fremdenverkehrsamt in Hamburg, www.visitnorway.com
Tourismusdepartement Fjord Norway in Bergen, www.fjordnorway.com

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