Europa

30 Stunden Belgrad

Die serbische Hauptstadt putzt sich heraus. Man spürt westlich frischen Wind. Viele Attraktionen hat die Balkan-Metropole allerdings nicht zu bieten.

Einst. Nach 35 Jahren bin ich endlich wieder in Belgrad. Damals, Ende der 1970er Jahre, also lange vor dem Jugoslawien-Krieg, hatte es den tiefgrauen, spröden Charme des Kommunismus. Heute ist Belgrad zwar immer noch ein ein bisserl grau und noch ein klarer touristischer Außenseiter, aber ein Besuch zahlt sich bereits aus. Man spürt den Aufbruch. Die Belgrader sind freundlich, locker und üben den westlichen Lebensstil. Bei der wirtschaftlich tristen Situation ist das nicht immer so einfach.

Knez Mihailova

Prachtstraße Knez Mihailova

Jetzt. Eine große Vorstellung hatte ich vom Belgrad der Jetztzeit nicht. Umso überraschter war ich, dass es dort mittlerweile durchaus adrette Ecken gibt. In der Einkaufsstraße Knez Mihailova – direkt im Zentrum – sind die mondänen Häuser fein herausgeputzt, es gibt nette Lokale und Restaurants und teils pipifeine Shops. Die Stimmung ist relaxt, man fühlt sich sicher, Kleinkriminalität scheint es nicht zu geben.

Sehenswert. Allzu viele Sehenswürdigkeiten hat Belgrad allerdings nicht. Von den Top Ten in der Touristen-Broschüre kann man sich die eine oder andere Sehenswürdigkeit getrost sparen. Einen Besuch wert ist die Festung Kalemegdan am Ende der Knez Mihailova. Sie liegt in einem Park, etwa 50 Meter über den Ufern der Donau und Save, die hier in die Donau mündet. Der Blick über die beiden mächtigen Flüsse, die Stadtteile auf dem anderen Save-Ufer und die malerischen Hausboote an der Save gelten als die größte Attraktion der Balkanstadt. Viele der Boote sind heute schnuckelige Kaffees und Restaurants, in denen man passabel essen kann.

Hausboot

Schnuckelig: Restaurtant-Boote an der Save

Viel Fleisch. Recht malerisch ist auch das einstige Bohemè-Viertel in der Skadarlija-Straße, das gerne mit dem Montmartre in Paris verglichen wird. Sehr gewagt, finde ich. Ein Bummel zahlt sich aber trotzdem aus. Die teils recht urigen, wenn auch touristischen, Kneipen servieren gute, original serbische Kost – das heißt: etwa ein Kilo Fleisch pro Person (Cevapcici, Pleskavica, Würste und Koteletts mit geschätzten 10 Pommes und einer halben Zwiebel. Serben sind Fleischtiger! Die Riesenportion gibt’s um 10 Euro.

Schick. Wer es schick will, geht zum Hafen an der Save. In den einstigen Lagerhäusern sind heute gut ein Dutzend cooler Lokale, Bars und Restaurants. Weitere entstehen gerade. Hier trifft sich Belgrads Szene.

Kreativ. Der Kreativ-Tempel des jungen Belgrad ist das Mikser House – ein paar Gehminuten von der Lokalmeile am Hafen entfernt. Hier stellen junge Designer aus, treffen sich Maler, Musiker und Schriftsteller. Abends gibt es Konzerte.

Sava-Kirche

Aus weißem Marmor: Sava-Kirche

Unvollendet. Vorbauschauen muss man auch noch bei der Sava-Kirche, der größten othodoxen Kathedrale am Balkan. Sie fasst 10.000 Menschen und ist außen mit weißem Marmor verkleidet. Innen ähnelt sie leider einem Betonbunker. Seit Jahrzehnten wird an ihr gebaut. Die Innenmauern sind immer noch nackt und grau.

Party. Und dann gilt Belgrad noch als die heißeste Partymetropole am Balkan. In einem guten Dutzend Clubs wird täglich abgetanzt bis in die Morgenstunden. Bei mir hat die Kondition dafür nicht mehr gereicht. Aber als Hotspots gelten, so habe ich mir sagen lassen, z. B. der Jazzklub „Cekaonica BIGZ“ (Bulevar Vojvode Misica 17, 8. Stock), der Indie Rock „Gun Club“ (Milosa Pocerca 10) und der Klub „Idiott“ (Dalmatinsker 13) in dem Rock aus den 1980er- und 90er-Jahren, New Wave und Electronic gespielt wird.

Fazit. Belgrad hat mich nicht gerade aus den Socken geworfen, die 30 Stunden waren aber sehr ok. Viel länger möchte ich in der serbischen Hauptstadt derzeit noch nicht verbringen.

 

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