Eine Perle am alten Karawanenweg im Westen Chinas verschwindet: Die Oasenstadt Kashgar, Zentrum der Uiguren, fällt Pekings Siedlungspolitik zum Opfer. Noch steht der legendäre Sonntagsmarkt
Auf nach Kashgar, so lange es noch steht. Die Chinesen walzen die 2000 Jahre alte Uiguren-Hauptstadt im äußersten Nordwesten Chinas nieder. Nicht nur die UNESCO ist darüber entsetzt. Die wichtige Karawanen-Station auf der alten Seidenstraße sollte auf die Liste der Weltkulturerbe. Jetzt muss die weitgehend original erhaltene muslimische Lehm-Architektur chinesischen Plattenbauten weichen. In fünf Jahren werden nur mehr 15 Prozent der schönen alten Gebäude stehen.
Aber noch sieht es im Zentrum der Oasenstadt zwischen Taklamakan-Wüste und Pamir-Gebirge zumindest teilweise so aus wie zu Marco Polos Zeiten, als Händler aus aller Welt in Kashgar zusammentrafen: uralte, ineinander verkeilte Lehmhäuser, geschnitzte Holztore, enge Gassen, Basare, Moscheen, Karawansereien, Teppichhändler und Garküchen. Es brodelt und dampft in den Straßen aus Hunderten Eisenkesseln. Tischler, Schmiede, Töpfer, Kesselflicker klopfen und hämmern in Werkstätten von ein paar Quadratmetern.
Wie ein Museum Durch ihre Lage nahe den Grenzen zu Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan, Pakistan und Indien war die Lehm-Stadt Jahrhunderte lang wichtiger Verkehrsknotenpunkt der Karawanen-Routen. Heute ist sie eine der touristischen Hauptattraktionen am chinesischen Teil der Seidenstraße. Nicht nur wegen der Altstadt und der seit Jahrhunderten konservierten Atmosphäre.
Kashgar ist vor allem auch wegen seines legendären Sonntagsmarktes Ziel Tausender Touristen. Es ist der größte und spektakulärste Markt an der Seidenstraße.
Je näher wir kommen, um so mehr Staub schlucken wir. Klapprige Busse. Rostbeulige Laster voll beladen mit Vieh. Eselkarren mit Teppichen, Geschirr und ganzen Großfamilien bepackt. Pritschenwagen von dürren Pferden gezogen. Alte Männer mit Handwagen. Schafe. Ziegen. Pferde. Maultiere. Schwer bepackte Bauern zu Fuß. Und Hunderte Touristen. – Alle haben das gleiche Ziel. Über den staubigen Karrenweg drängeln sie zum Sonntagsmarkt am Rande der Wüstenstadt Kashgar.
Dort ist am frühen Vormittag schon die Hölle los. Die Bauern zerren das Vieh von den Lastern. Stiere bäumen sich auf, bespringen einander. Wettergegerbte Männer ziehen an den Stricken, um sie zu bändigen. Tanzen und wirbeln mit den Bullen in Staubwolken.
Drumherum ein Gewurl von Menschen. Archaische Typen mit langen Bärten, verschleierte Frauen, Kinder in bunt bestickten Kleidern. Da preist ein Melonenhändler laut seine Ware an. Dort sitzt ein Frisör und schabt einem Mann mit dem Messer den Kopf kahl. Ein Zahnarzt hat Gebisse auf einem Tisch aufgereiht und zieht Zähne ohne Betäubungsmittel. Dazwischen gackern Hühner, watscheln Gänse, zwitschern Singvögel in Käfigen und gurren Brieftauben – Taubenzucht ist ein beliebtes Hobby der Uiguren. Und überall wird gefeilscht und gehandelt. Geldbündel wechseln den Besitzer. Ein Handschlag – und das Geschäft ist besiegelt.
Auf einem freien Platz donnern Pferdehufe über den steinigen Wüstenboden. Unter den musternden Blicken interessierter Käufer werden prächtig aufgezäumte Pferde vorgeführt und danach mit zitternden Flanken wieder an die Holzkarren gebunden.
Elegant geht es in der Schaf-Abteilung zu. Wie Perlen an einer Schnur haben die Bauern die Tiere an straff gespannte Seile geknüpft. Jetzt werden sie geschoren und frisiert, fesch gemacht, um sie leichter zu verkaufen. Nur am Popsch, an den Hüfthöckern und am Kopf lassen ihnen die Besitzer Fellbüschel stehen. Die Schafe sind die Models am Viehmarkt von Kashgar.
Auf einer Seite des riesigen Geländes sind die Garküchen aufgebaut. Fleischhauer hacken mit Küchenbeilen haufenweise Schaffleisch klein. Aus großen Lehmöfen lodern Flammen. Teigtaschen, gefüllt mit Hammelfleisch, zischen im Öl. Nudeln dampfen in riesigen Töpfen. Es raucht und riecht nach verbranntem Fett und Fleisch.
Ablaufdatum. Man weiß nicht, wohin man zuerst schauen soll, verliert den Überblick. Ist hungrig und will doch nichts essen bei den Garküchen. Irgendwann schwindelt der Kopf und man muss raus aus dem Trubel.
„Wie lange wird es diesen Markt mit dieser Atmosphäre wohl noch geben?“, fragt ein Mitreisender. Wohl nicht mehr lange. Chinas Regierung will den Charakter der Stadt zerstören, steht in einem Report der Gesellschaft für bedrohte Völker.
Die Sicherheitsbehörden sehen Kashgar als Zentrum des uigurischen Widerstandes gegen die chinesische Herrschaft. Uiguren sollen abgesiedelt, Chinesen angesiedelt werden. Nach den Terroranschlägen im Vorjahr macht Peking jetzt Ernst. Nach dem Muster Tibet.
Infos:
Flug: Recht kompliziert via Peking und Urumchi in Westchina, individuelle Buchung im Internet ist schwer möglich. Am besten im Reisebüro fragen.
Hotels: Fündig wird man z. B. auf http://www.tripadvisor.de oder http://www.hotel.com. Besser im Reisebüro buchen.
Pauschal: Pauschalreisen auf der chinesischen Seidenstraße, die bis ins weit westlich gelegene Kashgar führen, sind nicht häufig. Im Programm haben es für 2010 in Österreich z. B. die Veranstalter „Die Windrose“ in Kombination mit den Ländern Kasachstan und Kirgisistan, 17 Tage ab 2880 €, Termine im Mai, Juli, September, Oktober. „Windrose Fernreisen“, 15 Tage ex Frankfurt ab 3190 €, Reisetermine im Mai, August und September. „ Hauser Exkursionen“, 28 Tage mit Trekking-Touren in Tibet und Westchina sowie Kailash-Umrundung ab 5190 €, Reisetermine im August und September– GEO Reisen. 60-Tage-Tour auf der Seidenstraße von Istanbul nach Peking mit Landrovern, 21.190 € inkl. Flüge. Nächster Abfahrtstermin: 24.4.2011, http://www.geo.at
Sicherheit: Laut Information des Außenministeriums hat sich die Lage in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang, in der Kashgar liegt, seit den Unruhen 2009 beruhigt, ist jedoch nach wie vor angespannt.
Naja, nun gab es ja gerade erst dieses schwere Erdbeben in China. Nicht in der Region Kaxgar, doch nahebei. Die Frage ist: Sind solche Lehmhütten wirklich erdbebensicher? Ich vermute mal eher nicht.
Kaxgar liegt in einer erdbebengefährdeten Region und ich schätze, die meisten Lehmhütten sind eben keine 2000 Jahre alt, sondern wurden nach dem letzten oder mit Glück (Falls sie das letzte Beben überstanden haben) nach dem vorletzten Erdbeben neu erbaut.
Ein Skandal wäre es, wenn China vorhätte, die tatsächlich bedeutenden islamischen Bauwerke abzureißen. Aber ist das der Plan?