Japan

Tempelglück und falsche Geishas

Zwei Städte, zwei Welten: Tokio ist ein Großstadt-Dschungel, in dem man sich nur schwer zurechtfindet. Die Kaiserstadt Kioto ist beschaulich und eröffnet einen Blick ins alte Japan.

von Karl-Heinz Jeller

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200 Yen, eineinahalb Euro, kostet der Blick in die Zukunft. 100 Yen, um seinen ungeliebten Gatten verschwinden zu lassen. Im Kiyomizu-Tempel in Kioto funktioniert beides einfach: 200 Yen in eine Büchse werfen, einen Zettel mit Nummer nehmen, im großen Regal die Lade mit der entsprechenden Nummer öffnen und daraus einen weiteren Zettel entnehmen. Auf diesem steht, was einem dieser Tag an Kummer und Freude bringt. Ist die Vorhersage schlecht, muss man sie nicht akzeptieren. Man knüpft den Zettel auf einen Draht und schon ist alles neutralisiert.
Um den Gatten verschwinden zu lassen, schreibt man dessen Namen auf Reispapier und wirft es in einen Krug mit Wasser. Wenn sich das Papier auflöst, verdünnisiert sich auch der Partner.

Täglich investieren tausende Japaner auf diese Weise in ihre Zukunft. Weil sie abergläubisch und Buddha-gläubig sind. Scheidungs-Anwälte gibt es trotzdem.
Japan vollführt einen täglichen Balanceakt zwischen uralter Tradition und Moderne, Aberglauben und Technikgläubigkeit. Aber genau das macht es für Reisende so unvergleichlich spannend.
Geisha-Imitationen Am deutlichsten erlebt man das in der alten Kaiserstadt Kioto. Neben modernen, eintönigen Straßen sind noch viele alte Stadtteile erhalten. Beim Bummel durch die alten Gassen des Gion-Viertels sieht man abends auch Geishas, die sich dort Geikos nennen, weil sie mit dem etwas anrüchigen Namen Geisha nichts zu tun haben wollen. Es gibt auch Geiko-Imitationen. Touristen, vorwiegend Asiaten, lassen sich gerne für ein paar hundert Yen als Geisha schminken und kostümieren.

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Kioto ist die Stadt der Tempel und Klöster. Viele sind architektonische Kostbarkeiten. Der Kiyomizu-Tempel etwa, um nur einen herauszugreifen, thront auf einer kühnen, hölzernen Pfahlkonstruktion über einem Steilhang. Er bietet nicht nur eine günstige Scheidungsmöglichkeit (siehe oben), sondern auch einen wundervollen Blick auf die Stadt und die umliegenden Berge.

Verloren im Untergrund Im Unterschied zum lieblichen Kioto ist Tokio ein Moloch und mit 35 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt. In den Straßen wurlt es wie in einem Ameisenhaufen. Auch die U-Bahnen quellen über. Zu den Stoßzeiten drücken und schieben Schaffner mit weißen Handschuhen die Passagiere oft so lange, bis alle im Wagon sind.

U-Bahn fahren in Tokio ist eine echte Herausforderung. Die Stationen sind zwar touristenfreundlich nummeriert, so dass man zumindest weiß, wann man aussteigen muss. Richtig umsteigen oder den richtigen Aufgang zu finden gelingt aber nur mit Instinkt und Glück. In der weitläufigen Station Shinjuku etwa kreuzen einander 13 Linien, steigen täglich vier Millionen Menschen um und gibt es unzählige Aufgänge. Das ist der blanke Wahnsinn, wenn man der japanischen Schrift nicht mächtig ist.

Tokio muss man erlebt haben, aber zwei Tage reichen. Die Sehenswürdigkeiten halten sich in Grenzen. Zwei bis drei Tage ist auch die Dosis, die Veranstalter ihren Pauschalreise-Kunden zumuten. Japan-Anfängern ist nur eine Gruppenreise zu empfehlen. Das Land auf eigene Faust zu bereisen, ist selbst für erfahrene Globetrotter eine Art Maturaprüfung.

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