Bhutan

Letztes Königreich im Himalaja

Klöster, Mönche und Mysterien. Erst jetzt tritt das Himalaja-Königreich aus der Isolation. Die neue Staatsphilosophie heißt Bruttonationalglück.

Von Karl-Heinz Jeller

Wolkenfetzen jagen über den 3000 Meter hohen Dochula-Pass. Ein Sonnenstrahl taucht die 108 Chorten (Heiligtümer), die hier zur Erinnerung an den Sieg über Aufständische errichtet wurden, in ein warmes Licht. Über die angrenzende Waldlichtung spannt sich ein Gewirr aus Hunderten Gebetsfahnen. Darunter grasen – wie unter einem bunten Himmelszelt – Yaks. Ein mystischer Ort.
Wir umrunden den Chorten-Hügel im Uhrzeigersinn. Das soll Glück bringen und vor bösen Geistern schützen. Damit unsere Reise glücklich verläuft, hat uns ein Mönch gesegnet. Er murmelte heilige Sprüche, goss Wasser in unsere Hände und knüpfte uns eine gelbe Schnur um den Hals.
So ist das in Bhutan. Geister sind eben allgegenwärtig.

BhutanAbgeschottet Das letzte Königreich im Himalaja – halb so groß wie Österreich, knapp 700.000 Einwohner – liegt eingeklemmt zwischen Indien und China. Fernsehen gibt es erst seit 1999. Um die Kultur vor westlichen Einflüssen zu schützen, durften auch lange Zeit nur an die 10.000 Touristen pro Jahr in das geheimnisvolle Land. Jetzt regelt man den Andrang eleganter. Ein Chillipi (Ausländer) darf nur über ein Reisebüro einreisen und muss 200 US-Dollar pro Tag ausgeben. 17.000 waren im Vorjahr dazu bereit, rund 200 aus Österreich. Bis 2012 sollen es sechs mal so viele sein, hofft Bhutans Tourismus-Chef Lathu Wangchuk.
Derzeit wirkt der Name Bhutan auf Touristen wie eine Heilsversprechung. Der geschmalzene Eintrittspreis kümmert die wenigsten. Sie wollen das Land des Donnerdrachens erleben, solange es noch ein Mysterium ist: die mächtigen Klöster, die Maskentänze der Mönche, die majestätischen Landschaften, die heilige Ruhe, die zufriedenen Menschen, die noch die traditionelle Kleidung tragen und sonntags mit Leidenschaft Bogen schießen. Wer kann, kauft einen modernen Bogen made in USA.
Noch gibt es kein Haus im westlichen Stil, keine Verkehrsampel, keinen Supermarkt, keine Werbetafel. Auf den Geschäften erlaubt der König nur blaue Schilder mit weißer Schrift. Um die Ruhe nicht zu stören, lässt er keine Hubschrauber fliegen. Auch die Kleidung hat er gesetzlich geregelt. Frauen tragen die bodenlange Kira, Männer den knielangen Wickelrock Kho. Mit Strümpfen, Halbschuhen und langer Unterhose im Winter ergibt das ein unverwechselbares Bild.

BhutanNationales Glück Der Kho ist zum Leitsymbol für die programmierte Gross National Happiness geworden. Das Bruttonationalglück sei wichtiger als das Bruttonationalprodukt. Wirtschaftswachstum und Moderne ja, Verlust der Tradition und Identität nein. Diese seien zum Glück eines Volkes ebenso nötig wie materielles Wohlergehen. Die Jungen nicken zu all dem, tragen aber immer öfter Jeans.
Gesperrte Klöster ?Brüche werden auch anderswo sichtbar. Schon wird diskutiert, was denn nun den traditionellen Baustil ausmache. Die Mönche, die in der Regierung nach alter Tradition viel zu sagen haben, mokierten sich kürzlich über Besucher, die sich respektlos bewegen. Seit Mitte Februar sind die Klöster nun für Ausländer gesperrt. Das muss sich wieder ändern, sonst bleiben die Touristen aus, fordern Reiseveranstalter. Eine Lösung wird wohl nach den Wahlen kommen. Am 24. März wählt Bhutan erstmals. Der König hat dem Land auch Demokratie verordnet. Die Jugend gibt sich darüber begeistert, den Alten hätte der König gereicht.

BhutanSchönste Klosterburg Wo Mo Chu und Pho Chu, Mutterfluss und Vaterfluss zusammenfinden, steht wie ein riesiges Schiff der Dzong von Phunaka, der schönste im Land. Wie alle Dzongs ist er Klosterburg, Tempel und Sitz der Bezirksregierung in einem. Hinter den weißen Mauern leben 350 Mönche, arbeiten Beamte im Kho.
Die Balustraden der Gebäude sind mit aufwendigen Schnitzereien verziert und bunt bemalt – mit Lotusknospen, Bäumen, Drachen, Sanskrit-Schriftzeichen. Davor tummeln sich junge Mönche in roten Kutten. Die Gebetshalle wurde erst unlängst restauriert und stellt die in anderen Dzongs in den Schatten. 54 vergoldete Säulen zieren den weiten Raum, Räucherstäbchen glühen, Butterkerzen brennen, und Wandmalereien erzählen in satten Farben vom Leben Buddhas. Fotografieren verboten!

Bhutan1211 Tage Meditation Cheri, das mystischste Kloster, liegt nahe der Hauptstadt Thimpu in eisiger Höhe, umgeben von dunklem Wald. Hierher kommen die Mönche zur großen Meditation. Drei Jahre, drei Monate, drei Wochen und drei Tage ziehen sie sich dazu in windige Hütten um den Kloster-Komplex zurück und ernähren sich oft tagelang nur vom Mehl eines besonderen Steins, der angeblich alle lebenswichtigen Substanzen enthält.
Bekömmlicher ist das Essen in den Restaurants. Die bhutanesische Küche ist nicht die variantenreichste der Welt, aber sehr gut. Roter Reis (gibt’s nur in Bhutan), viel knackiges Gemüse, Hühner, Rind und Yak liefern die Basis. Nichts wird überwürzt. Und zu allem wird reichlichst Ema Datzi gegessen, eine Art Letscho aus großen, nicht übermäßig scharfen Chili-Schoten in einer Käsesauce.

BhutanKurvenreich Das Reisen ist beschwerlich. Die wenigen Straßen sind extrem kurvenreich und oft vom Monsunregen zerfressen. Eine Rundreise ist nicht möglich. Vom touristisch erschlossenen Westen, wo auch der einzige Flughafen liegt, führt nur eine Straße über die schwarzen Berge in den noch wenig besuchten Osten – mit zwei Abzweigern ins südliche Indien. Komfortablere Touren werden mit Allrad-Autos (zwei Personen pro Wagen) angeboten.
Aus dem Autoradio tönt der liebliche Singsang eines bhutanesischen Volksliedes, am Straßenrand schaufeln zierliche Frauen Schotter. Straßenbau ist Frauenarbeit. Wie alle Gastarbeiter kommen sie aus Indien oder Bangladesch. Wir sind am Weg Richtung Paro, zum spektakulärst gelegenen Kloster, dem Tigernest. Reisterrassen wechseln mit gelben Rapsfeldern, Pinien- und Zypressenwälder mit Tälern, durch die sich türkisfarbene Gletscherflüsse schlängeln. Bhutan ist grün, und am Horizont glitzert das Eis der 7000er-Gipfel an der Grenze zu Tibet.

BhutanTigernest Taktshang, das Tigernest, klebt in 3000 Meter Seehöhe wie ein Adlerhorst über dem Paro-Tal – auf dem Sims einer senkrechten Granit-Wand. 900 Höhenmeter Aufstieg in dünner Luft sind zu bewältigen. Täglich steigen Hunderte Gläubige hinauf. Das Kloster ist eines der wichtigsten buddhistischen Pilgerziele im Himalaja. Seit dem 8. Jahrhundert haben hier alle Gurus meditiert.
Höhepunkt ?Auch für die Chillipi ist das Tigernest Höhepunkt einer Bhutan-Reise, den die Agenturen dramaturgisch perfekt gegen Ende des Aufenthalts einplanen. Für halbwegs geübte Wanderer ist die 2 1/2 Stunden dauernde Tour ohne Probleme machbar. Der Ausblick übers Paro-Tal ist schwindelerregend. Kaum vorstellbar, wie das Kloster, dessen erste Teile im 14. Jahrhundert entstanden, ohne Seilbahn gebaut werden konnte.
Über den roten Klosterdächern knattern Gebetsfahnen im Wind. Krähen segeln die Felswand entlang. Im Tempel entzünden wir Räucherstäbchen. Ein Mönch segnet uns, gießt Wasser in unsere Hände, knüpft uns eine gelbe Schnur um den Hals. Jetzt wissen wir schon warum: gegen die bösen Geister und für eine gute Heimreise.

Unterkünfte Österreichischer Hotel-Experte ortet viel Potential

Die Quartier-Situation in Bhutan ist unerwartet gut. Acht Top-Hotels gibt es bereits. Das eben fertig gewordene Taj in der Hauptstadt Thimpu, das Uma und Zhiwa Ling in Paro und fünf Aman-Resorts, die ja weltweit zu den Überdrüber-Lifestyle-Hotels zählen. Ein sechstes Aman folgt. Wie nirgendwo sonst bietet Aman seine Bhutan-Resorts als flexibel buchbares Rundreise-Package an. Deshalb tragen auch alle Resorts in Bhutan den gleichen Namen Amankora. Kora bedeutet in der Landessprache Dzonka „Runde“. Preis pro Nacht und Zimmer inkl. Tour-Guide, Transport, Verpflegung, Besichtigungen, Visa und Taxen: rund 1300 Dollar. Laut dem Österreicher Michael Raffling, der derzeit die Hotels in Bhutan kategorisiert, gibt es noch kein echtes 4-Sterne-Hotel. „20 haben das Potential“, so Raffling. Die derzeit mit drei Sternen angebotenen Häuser hätten nach unseren Kriterien auch nur 2-Sterne-plus-Niveau. „Sie haben aber einen sehr ordentlichen Komfort“, sagt Raffling.

Reise-Info: Pro Tag muss man 200 Dollar ausgeben

Beste Reisezeit: März bis Juni, wenn alles grünt und blüht, sowie zur Zeit der großen Tempel-Feste von September bis November. Im Sommer häufig Monsunregen, Straßen zeitweise unbefahrbar.
Einreise: Individualreisen nach Bhutan sind nicht möglich, jede Reise muss über ein Reisebüro organisiert werden. Pro Tag und Besucher müssen 200 US-Dollar ausgegeben werden (sämtliche Reisekosten wie Visa, Taxen, Unterkunft werden in den Betrag eingerechnet). Bei Buchung einer Pauschalreise ist alles inkludiert, auch die Visumbesorgung.
Rauchverbot: In Bhutan herrscht generelles Rauchverbot. Wer Zigaretten einführt, muss bei der Einreise 200 Prozent Steuer zahlen. Geraucht wird dennoch. Der Schwarzhandel blüht.
Impfungen: keine vorgeschrieben.Neben einem Basisschutz (Diphtherie/Tetanus/Polio, Hepatitis A/B, Typhus) ist bei Reisen in den Süden Schutz gegen Cholera, Japan-B-Enzephalitis und Malaria ratsam.
Preisniveau: Eine Mahlzeit kostet in einem einfachen Restaurant ca. 100 Ngultrum, in gehobenen ca. 300. Ein Euro ist derzeit 61,3 Ngultrum. Das Wechseln in den Banken ist umständlich und kostet viel Zeit. Kreditkarten werden nur in wenigen Geschäften akzeptiert.
Angebote: Reisen nach Bhutan haben mehrere österreichische Studienreisen-Veranstalter im Programm. Ein Bhutan-Spezialist ist GEO Reisen. Er bietet die breiteste Palette. Zum Beispiel: 9 Tage ab 2100 €, Kombi-Reisen mit Nepal (14 Tage ab 3160 €) oder Assam (23 Tage ab 4990 €), Trekkingtouren (19 Tage ab 4420 €) und Bike-Touren (16 Tage ab 3790 €). Alle Preise ohne Flug. Nähere Infos:  0800/ 808 808, http://www.geo.at
Allgemeine Infos: Bhutan hat keine Tourismus-Vertretung im deutschsprachigen Raum. Detail-Infos erhält man am besten in den Reisebüros. Einen ersten Überblick vermitteln die Internetseiten
www.kingdomofbhutan.com
www.bhutan-gesellschaft.de

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