Galapagos

Arche Noah im Pazifik

Auf den Galapagos-Inseln leben Tiere, die keine Scheu zeigen und die es sonst nirgends gibt

von Karl-Heinz

Ungeniert setzt sich die Spottdrossel auf den Sonnehut der kleinen Japanerin. Ein Seelöwe watschelt durch die Touristengruppe und Albtrosse wetzen wenige Meter entfernt ihre gelben Schnäbel beim Paarungssritual. Beim Schnorcheln streift mich fast ein Blaufußtölpel, der sich aus fünfzehn Meter Höhe wie ein Stein ins Wasser fallen hat lassen, um einen Fisch zu erbeuten. Und eine gut 300 Kilo schwer Meeresschildkröte glotzt mir frech in die Taucherbrille. Ist die Welt hier verrückt? Schert sich den hier kein noch so kleines Tierchen um die Spezies Mensch? Nein! Auf Galapagos haben die Tiere so etwas wie einen Genschaden. Fast alle lassen den Menschen ohne Scheu an sich heran. Jahrtausende lang entwickelte sich auf den Vulkan-Inseln im Pazifik – 1000 Kilometer weit vor der Küste Ecuadors – eine eigene Welt, die nichts mit den Gesetzen auf dem Festland zu tun hat. Eine Wunderwelt. Eine Arche Noah. Darwin holte sich hier 1831 die Impulse für seine Evolutionstheorie. Im heutigen Nationalpark Galapagos leben Tiere, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Kormorane, die das Fliegen verlernt haben, bis zu 500 Kilo schwere Riesenschildkröten, nur 40 Zentimeter große Mini-Pinguine (man bedenke: Am Äquator!), Hunderte Vogelarten, darunter auch Flamingos. Auf offener See sieht man Delphine und mit etwas Glück auch Wale.

Eine eigene Story sind die Albatrosse. Um ihre Jungen zu ernähren, fliegen sie einmal pro Woche 1500 Kilometer weit an die Küste Perus, fressen sich dort mit Tintenfisch voll und servieren ihn den Kücken vorverdaut als breiiges Öl. Und eine eigene Story sind natürlich auch die Meeresleguane – die „Drachen von Galapagos“. Boten aus einer längst verflossenen Zeit. Zu Tausenden liegen sie schwarz-, gold-, grün- und rotfarbig auf den heißen Lavafelsen. Obwohl sie kaum länger als einen Meter sind und sich nur von Algen und Tang ernähren, macht fast jeder Tourist um sie einen weiten Bogen. Ihr scharfgezackter Kamm wirkt ja auch beängstigend. Außerdem spucken sie zwei Meter weit. Kein Feuer zwar, aber speichelklebriges Meerwasser. Feuer spuckt auf Galapagos die Erde. Im Schnitt bricht auf den 13 größeren Inseln alle zwei Jahre ein Vulkan aus. Im Zentrum des Archipels liegt ein Hot Spot, ein bis hart an die Oberfläche reichender Glutofen, der nach oben drückt und die Erde wie Furunkel aufplatzen lässt. Espanola, die älteste Insel, ist 4,5 Millionen Jahre alt. Isabela, die größte, ist mit rund 700.000 Jahren dagegen noch ein erdgeschichtliches Baby – ihr Südwestzipfel wurde gar erst 1954 geboren.

Aber es gibt nicht nur Lava und öde Felsen auf Galapagos, sondern auch viel Grün. Drei Inseln sind bewohnt. Auf Santa Cruz gibt es Wälder mit duftenden Palo-Santo-Bäume und statt Seelöwen weidende Kühe. Die 5000-Einwohner-Stadt Puerto Ayora auf Santa Cruz bietet sogar internationales Flair in Nussschalen-Format mit putzigen Hotels, Restaurants und Bars auf der Avenida Charles Darwin. Hier befindet sich auch die Darwin-Station, wo Schildkrötenbabys aufgezogen werden. Im Hafen liegen kleine Kähne für Tagesausflüge und luxuriöse Kreuzfahrtschiffe, die die 60.000 jährlichen Touristen zu den entfernteren Inseln des 10.000 km großen Archipels schippern. Kein Zweifel: Galapagos ist eines der beeindruckendsten Urlaubsziele auf dieser Welt – noch fast so wie am 8. Tag der Schöpfung. Leider ist das Paradies aber auch schon befleckt. Mit dem Menschen kam die Zeitenwende für Galapagos. Bakterien und Schädlinge wurden eingeschleppt, die Pflanzen und Tiere gefährden. Trotz strenger Import-Kontrollen ist dieses Problem nicht in den Griff zu bekommen. Das größte Problem sind aber die Ziegen, die sich epedemieartig vermehren und die endemischen Scalesia-Büsche auffressen. Auf der Insel Isabela soll es bereits 120.000 geben. Versuche, einen Ziegen-Jagd-Tourismus aufzuziehen scheiterten bisher. Welcher Jäger zahlt schon gerne viel Geld für den Abschuss einer Ziege.

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