Baskenland

Immer dem Gaumen nach . . .

Es gibt viele Reisen zu gutem Essen und gutem Wein. Eine der schönsten führt ins Baskenland.

von Karl-Heinz Jeller

Auf der Theke der Bar Casa Vergara in San Sebastián ist kaum Platz, um das Weinglas abzustellen. Sie ist voll mit kunstvoll arrangierten Fast-Food-Häppchen. Pintxos sagen die Basken dazu . . . und das Wasser läuft ihnen im Mund zusammen, wenn sie den Namen auch nur aussprechen.pintxo-bar.jpg
Ich weiß bei der Überfülle gar nicht, was ich probieren soll: die mit Paprika gefüllten Schweinefüßchen, die Zucchini-Ravioli mit Kabeljau, die fein passierte Blutwurst im hauchdünnen Teigmantel, die mit weißer Schokolade überzogene Pastete . . . Pintxos (gesprochen Pintschos) sind nicht einfach nur für den kleinen Hunger zwischendurch wie die Tapas im restlichen Spanien. Pintxos sind der Himmel lukullischen Handwerks. Sie sind baskische Küche in Miniatur, konzentriert auf zwei Bissen.

Starköche Jährlich werden die besten Pintxos gekürt, was zu immer kühneren Kreationen anregt. Jede Bar und jede Stadt hat ihre Spezialitäten. Die Pintxo-Designer sind Stars, treten im TV auf, schreiben Kochbücher. San Sebastián ist die Hauptstadt der berühmten baskischen Küche. Hier gibt’s weltweit die meisten Michelin-Sterne pro Quadratmeter und die besten Köche Spaniens.pintxo.jpg
Das macht Lust auf mehr. Doch als ich einen zweiten Pintxo probieren will, ernte ich ein brüskes „No“ von meiner Begleiterin Claudia. „So geht das nicht“, erklärt sie. „Man zieht von einer Bar zur nächsten, isst in jeder nur einen und trinkt dazu ein Glas Wein oder ein zurito, ein kleines Bier. So trifft man einander und plaudert mit vielen.“ Txikitos heißt dieses Bar-Wander-Plauder-Ritual.
Pintxo-Bars gibt’s im Baskenland ohne Ende, genauso wie gute und sehr gute Restaurants. Es gibt Lokal-Führer und jährliche Rankings, die an jeder Hotel-Rezeption aufliegen. Essen ist für die Basken keine Nebensache.

Himmlische Küche In Bilbao hatte ich das Vergnügen in einem der besten Restaurants speisen zu dürfen. Im Etxanobe, ganz oben im Kongress-Palast mit fantastischer Aussicht. TV-Starkoch Fernando Canales servierte als Entrée ein Kabeljau-Carpaccio und steigerte die Genussorgie mit frischen Sardellen, Jakobsmuscheln und einem Thunfisch-Steak, das roh aussah und fast wie Sashimi schmeckte, in Wirklichkeit aber bei 60 Grad gegart wurde.
Aber ich will da nicht endlos labern über die so herrliche Küche der Basken. Man fährt ja nicht nur deswegen hin. Wenn Sie aber dort sind, versäumen Sie nicht die Quahogmuscheln und Entenmuscheln von der Küstenregion Urdaibai zu kosten . . . und das baskische Milchlamm . . . und die Txipirones, die jungen Tintenfische in schwarzer Sauce.

Phönix aus der Asche Ausgangspunkt für eine Reise durchs Baskenland ist praktischerweise Bilbao, da man von Wien günstig mit Air Berlin hinkommt. Über Mallorca zwar, was aber kein Nachteil ist. Dort kann man einen Badestopp einlegen.
Für Bilbao muss man sich Zeit nehmen. Nicht nur des Essens wegen. Die Stadt ist ein Architektur-Juwel. Noch vor 15 Jahren war sie ein dreckiger Industrie-Moloch. „Aber sie hat sich vom grauen Entlein zum Schwan entwickelt“, sagt Kepa Olabarrieta vom Tourismusbüro. Als die Stahl- und Schiffbauindustrie in den 80er-Jahren in die Krise schlitterte, investierte Bilbao in den Tourismus, engagierte Stararchitekten und ist heute eine der meistbesuchten Städte Spaniens. Frank Gehry baute das spektakuläre Guggenheim-Museum, Norman Foster die Metro und Santiago Calatrava die Spinnweben-artige Zubizuri-Brücke über den Rio Nervion. Calatrava soll auch in Wien bauen – eine Fußgängerbrücke über die Triester Straße und einen Bahnhof im neuen Stadtteil Aspern.
In Bilbao nimmt man sich am besten einen Mietwagen – das Straßennetz im Baskenland ist gut, mit vielen Autobahnen – und lässt sich erneut vom Gaumen navigieren – in den Süden, nach Rioja Alavesa. In der 160 km² großen Weinbau-Region werden vorwiegend aus den Sorten Temprañillo und Garnacha die berühmten Rioja-Weine gekeltert. Sehenswert sind dort die Weingüter.

Rioja-Könige Die Top-Winzer haben sich in den 90er-Jahren von Star-Architekten à la Frank Gehry spektakuläre Weinkeller bauen lassen. 75 Millionen Euro wurden investiert. Führungen mit Rioja-Verkostung kosten ca. 5 €. Empfehlenswert ist z.?B. die Bodega Dinastia Vivanco, weil sie auch das größte Weinmuseum der Welt beherbergt. Auf zwei Geschoßen erfahren Weinliebhaber alles, was sie schon immer über ihr liebstes Getränk wissen wollten. Wo auf der Welt welche Sorte wächst. Welche Geschmacksnoten welchem Wein zuzurechnen sind. Aber auch wie Fässer gemacht und Korken erzeugt werden. Da gibt es Trinkbecher aus der Antike, aber auch Witziges und Praktisches – z. B. 3000 Korkenzieher. In der Kellerei, die aussieht wie ein Raumschiff und mit modernster Technik temperiert wird, lagern 30.000 Barrique-Fässer.dinastiavivanca.jpg
Unbedingt ansteuern muss man San Sebastián. Das mondäne Seebad am Atlantik nahe der französischen Grenze ist für den spanischen Adel und die upper class aus Madrid und Barcelona nach wie vor beliebter Treff. Maria Christina von Österreich verbrachte hier als Königin von Spanien um die Wende des vorigen Jahrhunderts mehr Zeit als in Madrid.
Schöne Häuser aus der Belle Époque, Boulevards mit Baum-Alleen, gusseiserne Straßenlaternen in angeblich 100 verschiedenen Stilen prägen die Stadt an der Goldmuschel-Bucht im Golf von Biskaya . . . und natürlich die gute Küche und die vielen Pintxo-Bars.

Reise-Infos:

Beste Reisezeit: April bis Ende September. Im Winter präsentiert sich das waldreiche hügelige Hinterland recht trist. Bilbao aber ist auch im Winter zu empfehlen.

Flug: Fly Niki/Air Berlin fliegt täglich ab Wien via Palma de Mallorca nach Bilbao. Flugzeit mit Transfer-Aufenthalt in Palma ca. 5 1/2 Stunden. Durchschnittspreis hin und retour inklusive Airporttaxen: ca. 400 €. Details und Buchung: http://www.airberlin.at

Mietauto: Ein Auto der Kategorie A (z.B. Opel Corsa) kostet beispielsweise bei Holidayautos pro Woche inklusive Steuern, Versicherungen und unbegrenzten Kilometern 164 €. Details und Buchung: http://www.holidayautos.at

Shopping: Besonders günstig sind im Baskenland wie generell in Spanien Lederwaren wie Schuhe, Taschen, Jacken, Mäntel. Bei den Weingütern kann man auch günstig Rioja-Weine einkaufen.
Weitere Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt in Wien, 01/512 95 80, ww.tourspain.es

1 replies »

  1. Als Bilbaina, ist es eine große Freude zu erfahren, daß immer mehr Leute in den Genuß kommen das Baskenland zu besuchen, um es mit allen Sinnen zu erleben. Wenn so bereiste und anspruchvolle Menschen -wie Sie- , so leidenschaftlich über die unzähligen Highlights eines Landes berichten, ist es definitv eine Reise Wert. Das kann ich als baskin nur bestätigen.

    Als solche, lege ich viel Wert darauf, daß jeder das Beste vom Baskenland für sich entdeckt. Deswegen gebe ich gerne Insidertipps und Infos zu Top-Adressen (Gastronomie, Kunstaustellungen, Weinkellereien…) für einen genußvollen Besuch. Gute Reise und danke im Voraus für Ihren Besuch.

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